Mission Statement

Wir befinden uns in einem globalen Umbruch der urbanen Lebensformen, der geprägt ist von Klimakrise, Migration, radikalen Veränderungen in Arbeit, Konsumverhalten und Zusammenleben.

Dazu kommt eine Pandemie, die als Probefall einer intensiven, geteilten Erfahrung aller Länder und Menschen der Erde demonstriert hat, wie robust und zugleich fragil die urbane Lebensform ist.

Und wie verschieden je nach lokaler Tradition und Problemlage.

“morphoPoly” ist ein prozess-orientiertes Projekt im Bereich “künstlerische Forschung”. Mehrere Gruppen entwerfen aus diversen Materialien und in diversen Medien Stadt-Modelle und andere Designs für eine performative, multi-sensorische Auffassung der zeitgenössischen urbanen Existenz. Diese Entwürfe entwickeln sich im Rahmen einer “Gamification”, die selbst Teil des Prozesses ist.

Es kommt zur Bildung mehrerer Spiel-Teams, die eine mögliche neue Baukultur (anonymer bzw. partizipativer) “Clans” antizipieren.

Vor allem aber fungieren Kinder im Alter 7 – 11 als primäre Baumeister:innen.

Im Projektraum 010 der Universität für Angewandte Kunst wurde seit Herbst 2021 ein weiträumiges Stadtmodell aus Holzbausteinen, Einpackpapier, Naturmaterialien etc. entworfen und in mehreren “Sessions” verdichtet.

Unter “Session” verstehen wir ein bestimmtes Format von mehreren Stunden mit Pausen, in dem konzentrierte Perioden des Entwerfens und Bauens sich mit Besprechungen und Reflexionen zum Gebauten abwechseln.

Fallweise werden diese “Sessions” auch durch eine Video- bzw. Dia-Lecture zu Themen und Aufgaben eingeleitet – so etwa zum zentralen Leitthema “Straße”.

Die Kinder können auch Geschichten zu ihren Entwürfen erzählen.

Da gibt es etwa ein Gefängnis für Eltern, die zu viel verbieten, aber auch ein Kino, das sich selber sieht und 2 Schuhfabriken für jeweils nur linke und nur rechte Schuhe.

Das Modell wurde lose durch die Aufgabe und das Thema der Straße angeregt, die ja scheinbar eine elementare Keimzelle der Stadt ist. Doch wie genau stellt sich das Verhältnis von Straßen, Gebäuden, anderen Netzwerken und Lebensräumen wirklich dar? Welche Straßen brauchen die Bewohner:innen wirklich? Wo und wie verlaufen ihre Wege, die virtuellen ebenso wie die ganz konkreten, die spontanen und die habituellen, die verpflichtenden und die frei gewählten?

Und was ist eine Straße, welche Chancen und welche Probleme bringt sie mit sich, wenn wir auch andere Lebewesen in die Stadtplanung miteinbeziehen?

Die Kinder denken auch ohne Anleitung durch Erwachsene schon voraus in eine Zukunft, in der Straßen für Autos, breite Sichtachsen und schneller Durchzugsverkehr nicht mehr das Maß aller urbanen Dinge sein werden.

Dennoch bleibt die Frage, in welchem Verhältnis die non-humane Natur und das durch und für Menschen Gebaute stehen sollen, offen.

In einem Vorschlag müssten sie relativ getrennt über einander existieren: Die Natur zu ebener Erde, die Menschen darüber.

Die Dokumentation der Bau-Sessions erfolgt durch Fotos, Videos, Audios und (als konzeptionelle Eigentümlichkeit) in Form von Zeitraffer-Clips der gesamten Session, bei denen aber programmatisch keine Gesichter zu sehen sind.

Die Dokumente werden auf der Website öffentlich gemacht, sei es in Form eines tagebuchartigen Blogs, sei es als Mosaik.

Dazu kommt noch ein Podcast bzw. eine Serien von Essay-Filmen.

2022 werden die Bausessions innerhalb der Universität durch Exkursionen in reale Stadtentwicklungszonen innerhalb Wiens ergänzt.

Das Wechselspiel von alten industriellen Zonen (Bahnhöfe), neuen Wohnanlagen, kulturellen Zwischennutzungen und geplanten “G’stättn” und Naturzonen (wie etwa am Nordwestbahnhof und im neuen Nordbahnhofviertel) wird dem Team und den Kindern durch Expert:innen nahegebracht und dann mit den gebauten Stadtmodellen konfrontiert. Mappings und Spielanordnungen sorgen für eine Interferenz zwischen Erfahrung und Phantasie, die wiederum die Brutstätte neuer Erfahrungen und Modelle wird.

Während wir für die gesamte Periode mit den Kindern weiterarbeiten wollen, werden auch andere Gruppen, so vor allem Studierende der Angewandten, in den Modellbau-Prozess einbezogen.

Denn die Modelle sind dazu bestimmt, wieder abgebaut zu werden. Die Stadt wandert und wuchert von Ort zu Ort und von Medium zu Medium.

Abdrucke (mittels 3-D-Drucker) der einzelnen Versionen der Stadt oder ihrer Teile dienen als haptisches Archiv.

Ein so wandelungsfreudiges Projekt braucht ein Team mit diversen Interessen und Fähigkeiten.